MITEINANDER
Mit tiefer Dankbarkeit schaue ich auf dieses neue Jahr. Ich, wir dürfen neu beginnen, das Jahr liegt noch frisch und unverbraucht vor uns und ich bin dankbar für all das, was mir an Überraschungen, Begegnungen, Chancen und Möglichkeiten, aber auch an Herausforderungen und Hindernissen geschenkt werden wird. Trotz all dem, was ich und wir als Gesellschaft vom alten Jahr noch herüberschleppen, stehen wir doch am Anfang eines neuen Jahres und bekanntlich wohnt ja jedem Anfang ein besonderer Zauber inne. So auch für das Jahr 2022.
Ich schreibe dies, obwohl die Vorzeichen dieses Jahres für mich persönlich schmerzlich sind. Die Nachricht von der Krebsdiagnose für ein Familienmitglied hat mich und meine Angehörigen ziemlich erschüttert und durcheinander gebracht, und so sind die ersten Tage geprägt von Bangen und Hoffen, von Angst und Zuversicht.
Aber auch als Gesellschaft hierzulande und weltweit sind die Startbedingungen in dieses neue, noch unberührte Jahr alles andere als einfach. Wir befinden uns in der vierten oder vielleicht schon fünften Coronawelle. Die Folgen der Klimakrise und der Zerstörung unseres Lebensraumes Erde sind unübersehbar. Unberechenbare Machthaber in vielen Ländern dieser Erde säen Zwietracht und Krieg. Der Umgang mit schutzlos ausgelieferten Menschen vor den Toren Europas ist himmelschreiend. Die europäische und weltweite Finanzpolitik ist undurchsichtig. Einige wenige schwelgen im totalen Überfluss, während unzählige Menschen verelenden. Über Social Media verbreitete Verschwörungstheorien sorgen für Verirrungen und Verwirrungen. Egoismus, Misstrauen, Verachtung und Hass gefährden, ja zerstören unser Zusammenleben und damit auch unser Leben. Was können wir dagegensetzen?
Als Familie trägt uns der Zusammenhalt, wir unterstützen einander und helfen uns, wo wir können. Dafür bin ich sehr dankbar. Auch in unserer Gemeinschaft spüre ich das gemeinsame und mitschwesterliche Unterwegssein. Wenn sich Neid, Eifersucht, Misstrauen unter uns breit machen, schwächt es unser Miteinander und unsere Kraft, für andere da zu sein und uns einzusetzen.
Auch angesichts der weltweiten Krisen und Herausforderung unserer Zeit sehe ich die größte Kraft im menschlichen Mit- und Füreinander. Unser Zusammenleben in unserem gemeinsamen Haus, dem Planeten Erde, ist doch unendlich kostbar, aber eben auch zart, verletzlich und zerbrechlich. Kein Mensch kann alleine durchs Leben kommen, wir sind so sehr aufeinander angewiesen, wir brauchen menschliche Nähe und Wärme. Sich gegenseitig anzunehmen und in der Unterschiedlichkeit wertzuschätzen, sich in andere einzufühlen und füreinander Sorge zu tragen, sich zu vertrauen, solidarisch zu sein, achtsam und barmherzig miteinander umzugehen – all diese Fähigkeiten sind zutiefst in uns Menschen angelegt. Kein Markt, keine Technik, keine noch so ausgeklügelte künstliche Intelligenz kann diese menschlichen Gaben je ersetzen. Da sind wir dran. Also gehen wir es an!
Aber nicht verbissen, sondern mit Fröhlichkeit im Herzen, wie unsere Altbundeskanzlerin Angela Merkel sich beim großen Zapfenstreich verabschiedet hat: „Es ist diese Fröhlichkeit im Herzen, die ich uns allen und im übertragenen Sinn unserem Land auch für die Zukunft wünsche.“ Ich muss gestehen, ich war zunächst etwas verblüfft über diesen Zuspruch und habe ihn als etwas oberflächlich abgetan. Aber gerade diese Aussage hat mich mit Zuversicht und einer gewissen Leichtigkeit erfüllt, denn sie zeugt von einer heiteren Gelassenheit, die ermutigt und stärkt – und die für mich letztlich auf etwas Größeres hinweist: Auf Gott, der verlässlich mit uns geht, und dessen Liebe uns in Jesus Christus eingefleischt ist.
Und so gehe ich in dieses Jahr mit Vertrauen auf unser Miteinander und Fröhlichkeit im Herzen und wünsche uns allen ein neues Jahr mit den 3 G: ein glückliches, gesundes und gesegnetes Jahr 2022!
Sr. Karolina Schweihofer ist stellvertretende Generalleiterin der Missionarinnen Christi und außerdem geistliche Begleiterin und Exerzitienleiterin.