Monatsimpuls – August 2021

Erwartet und herbeigesehnt

Geh‘ aus mein Herz und suche Freud

in dieser lieben Sommerzeit

an deines Gottes Gaben

schau an der schönen Gärten Zier

und siehe, wie sie mir und dir

sich ausgeschmücket haben

Geistliches Sommerlied von Paul Gerhardt (1607–1676)

Sommer – wie sehr haben wir ihn erwartet und herbeigesehnt!

Nach den langen Kontakteinschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen sich endlich wieder einigermaßen frei bewegen, Freunde treffen, Urlaub machen, Natur genießen können, sich von der Sonne anlachen lassen, genüsslich ein Eis schlecken, in einen kühlen See eintauchen – das tut Leib und Seele gut.

Jede Jahreszeit hat ihre Besonderheit, ihre Schönheit und ihre Bestimmung, ihre Funktion, für das Wachsen und Reifen im Jahreskreis. Sommer, die Jahreszeit der Fülle, der Reife – er ist für mich die Hoch-Zeit des Jahres. Er schenkt uns eine Vielfalt an Pflanzen, Blumen, Kräutern und Früchten, an Farben und Düften.

Das Lied sieht die Fülle und Schönheit des Sommers im Bild des Gartens ausgedrückt. Schon das erste Buch der Bibel, siehe Genesis 2, 8 und 9a, versetzt uns in einen Garten:

„Dann pflanzte Gott, der HERR, in Eden, im Osten, einen Garten und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott, der HERR, ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und köstlich zu essen, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens.“

So gilt der Garten bis heute als Symbol für das Paradies, das wir ersehnen und das uns verheißen ist, ein Bild für die Fülle des Lebens, die Gott uns schenken will. Das Wort Paradies kommt aus dem Hebräischen und bedeutet so viel wie Gehege. Es meint den Garten Eden als die ursprüngliche Schöpfungswelt Gottes.

In einer weiteren Strophe des Liedes bezieht sich Jesus auf den König Salomon und stellt uns die Blumen in ihrer schlichten Schönheit vor Augen, mit der sich die ganze Pracht Salomons nicht messen kann:  „Seht die Lilien des Feldes an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomon in all seiner Pracht war nicht gekleidet, wie eine von ihnen“ (Lk 12,27).

Die Gartensymbolik finden wir in der Kunst in vielen Malereien und religiösen Darstellungen. Denken wir an das Gemälde „Maria im Rosengarten“, an das Bild vom „Paradiesgärtlein“ oder an die Kreuzgänge der Klöster als Orte der Stille und des Friedens.

Das Lied lädt uns ein, „der  Gärten Zier“,  ihre Schönheit und Vielfalt,  zu betrachten. Wir alle haben unsere eigenen Erfahrungen mit Gärten. Viele von uns kommen vom Land und hatten zuhause einen bunten Bauerngarten.

In Sibirien habe ich erlebt, dass viele Familien einen eigenen Garten, eine sog. Datscha, haben, der der Selbstversorgung und oft auch dem Überleben dient. So werden Kartoffeln, Kraut, Rüben, etc. in Erdkellern für den Winter eingelagert und eingelegt.

Auch wir Schwestern kamen dort selber in den Genuss eines solchen Gartens und konnten Beeren, Tomaten und  und anderes Gemüse in Fülle ernten und genießen und auch manches Gartenfest mit Freunden feiern.

Hier in Leipzig habe ich keinen eigenen Garten, aber ich gehe gerne über den Wochenmarkt und freue mich an der Vielfalt der Früchte und Blumen und ihren Farben. Auch der nahe gelegene Park hat mir in der Lockdownphase bei den täglichen Spaziergängen viel Kraft und Lebensfreude geschenkt.

Manche von uns kennen die Insel Mainau, sie ist ein einziger Blumengarten, auch mit tropischen Pflanzen, Blumen und Bäumen. Gartenausstellungen, wie im Moment die BUGA in Erfurt, ziehen viele Menschen an. Was fasziniert uns daran so sehr?

Im Monat August feiern wir das Fest Maria Himmelfahrt, ein Fest der Vollendung des Lebens. Es passt gut in diese Jahreszeit der Reife und der Fülle auf der Höhe des Sommers. An manchen Orten lebt die Tradition der Kräuterweihe an diesem Tag wieder auf. Blumen und Heilkräuter werden in die Kirche gebracht und gesegnet. Wir erleben gerade in unserer Zeit, wie verwundbar und zerbrechlich unser Leben ist. So dürfen wir dankbar die Heilkräfte der Natur für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit gebrauchen.

„Geh‘ aus, mein Herz, und suche Freud'“ ist eine Einladung, aber auch eine Aufforderung, aktiv diese Schönheit, diesen Reichtum, zu suchen und zu entdecken, mit offenen Augen dankbar wahrzunehmen, was uns im Garten der Natur geschenkt ist, diese gute Schöpfung Gottes zu bewahren.

Die weiteren Strophen des Liedes finden sie hier: https://www.evangeliums.net/lieder/lied_geh_aus_mein_herz_und_suche_freud.html

Sr. Paula Bickel MC


Sr. Paula Bickel MC ist gebürtige Vorarlbergerin und lebt mit vier Mitschwestern in Leipzig. Sie engagiert sich ehrenamtlich in der Propsteigemeinde und begleitet Menschen auf ihrem Weg.