Portrait der Lebensgruppe im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in München
Diesmal erzählen sieben ältere Schwestern der Missionarinnen Christi. Es geht um das Altsein als Ordensfrau, die Vorteile des Zusammenlebens in einer Gruppe und darüber, sich jeden Tag neu zu finden. Sr. Beate Roger, eine der Gründungsschwestern der MC: „Es ist vielleicht interessant, dass wir alle schon im Alter zwischen 80 und 95 Jahren sind. Umso erfreulicher, dass wir, zwar mit zusätzlichen Hilfen, noch eigenständig als Lebensgruppe hier im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern unseren Alltag bewältigen.“
Die Missionarinnen Christi bewohnen seit nunmehr elf Jahren (September 2010) eine Wohnung in der dritten Etage im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern. In der hellen, alters- und behindertengerecht eingerichteten Wohnung hat jede ihr eigenes Zimmer mit Dusche und Zugang zum Balkon, gemeinsam nutzen wir eine große Küche, einen Wohn- und Essraum. Gegenwärtig leben hier die Schwestern Ruperta Bauer, Anna Eichinger, Anna Haindl, Anna Hofbauer, Beate Roger, Petronilla Tembler und Notburga Schaubmayr.
Es sind aber nicht nur die äußeren Bedingungen, die es möglich machen, auch im höheren Lebensalter so weit wie nur irgend möglich selbständig zu leben. Gerade das Miteinander bietet hier ungeahnte Möglichkeiten, da jede Schwester im Rahmen ihrer Möglichkeiten anfallende Aufgaben übernimmt. „Wir erleben tagtäglich, wie hilfreich sich die Vielfalt an Fähigkeiten in Gemeinschaft auswirkt.“ So werden Einschränkungen, die das Alter mit sich bringt, weniger gravierend, so lange jemand da ist, dem das noch leichter fällt als einer anderen. Nicht zuletzt ist auch die räumliche Nähe zur Regionalleitung Deutschland/Österreich von Vorteil, die sich um ökonomische und verwaltungstechnische Belange mit kümmert.
Die Schwestern sind sich einig, dass sie es gut getroffen haben. Einsamkeit im Alter, gesellschaftlich brandaktuell, ist hier kein Thema. „Dafür sind Alterskrankheiten hier schon ein Thema – wie überall. Wir werden auch vergesslicher, körperliche Herausforderungen kommen dazu, da wird auch mal die Kommunikation untereinander schwieriger. Ich sage es mal so, eigentlich will jede das Gute, es kommt nur auch mal anders raus. Schließlich sind wir unterschiedliche Persönlichkeiten.“ Das wiederum dürfte jeder kennen, ob in Familie oder Gemeinschaft.
Ist etwas anders an diesem Zusammenleben? „Wir kennen das ja nicht anders, die MC leben in Gemeinschaft, zwei bis fünf Schwestern, manchmal mehr. Das Alleinleben ist die Ausnahme, wenn es die Berufs- und Lebenssituation erfordert. Also leben wir weiterhin so, wie wir es gewohnt sind – etwas Schönes. Das geht vielen im Alter anders.“ Eine Mitschwester ergänzt: „Das Zusammenleben ist mehr. In der Zeit im Berufsleben hat man sich eher nur morgens und abends gesehen, zu den gemeinsamen Gebetszeiten und zum Bibelgespräch. Da haben die Schwestern heute mehr Möglichkeiten, alleine schon über das Mobiltelefon. Das verbindet völlig neu, man bleibt noch mehr im Kontakt.“
Dass sich das Leben im Alter ändert, darin sind sich alle einig. „Die Arbeit nach außen endet. Und auch von dem, was man tun kann, muss jede nach und nach etwas abgeben, wenn es eben nicht mehr so gut geht. Das ist ein Lernprozess, der nicht immer einfach ist.“ Ein weiterer Aspekt: „Ich empfinde es so, dass derzeit die Älteren als gesellschaftliches Problem wahrgenommen werden, weil die Menschen auch immer älter werden. Die Gesellschaft befindet sich da gerade in einem Lernprozess und denkt darüber nach, wie wir im Alter noch gut leben können. Also wäre vielleicht das Leben der Missionarinnen Christi hier ein empfehlenswertes Modell.
Aus all diesen Erfahrungen und Beobachtungen ergeben sich Fragen, die sich die Schwestern immer wieder stellen:
Was gibt es noch, was mein Leben wertvoll macht, was der Menschheit einen Dienst leistet?
Wie zufrieden bin ich damit, dass ich nicht mehr so viel leisten kann? Bin ich innerlich zufrieden oder habe ich das Gefühl, ich sollte mehr machen?
Eine Schwester meint „Ich bin froh und dankbar Gott und der Gemeinschaft gegenüber, dass ich so noch selbstständig leben kann.“ Eine Mitschwester ergänzt, dass insbesondere das Gebet einen größeren Stellenwert bekommt. Ihre Erfahrung: In der Familie und im Bekanntenkreis sind viele Menschen froh, dass wir für sie beten – eine nicht zu unterschätzende Kraft, nach außen wie nach innen. So kommen auch weiterhin Frauen zum Gespräch zu den Schwestern, nutzen gerne die Möglichkeit, Ansprechpartnerinnen zu haben, die sich Zeit für sie nehmen können.
Eine Schwester beleuchtet einen anderen Aspekt: „Gerade im Älterwerden ist uns die Gebetsgemeinschaft besonders wichtig, die Ausrichtung auf Jesus Christus. In der Gesellschaft mag das nicht unbedingt akzeptiert sein. Hier gilt doch oft der Grundsatz „Wer viel leistet ist viel wert“. Glaube und religiöses Leben haben wenig Gewicht in der Gesellschaft – da sind gerade ältere Ordensleute sehr gefährdet, als unwichtig wahrgenommen zu werden. Hier darf sich in der Wahrnehmung gerne noch etwas ändern.“
So kommen die Schwestern im Gespräch wieder auf den Kern des Zusammenlebens zurück: Gerade im Alter dürfen wir das Leben in Gemeinschaft als großen Mehrwert erfahren. Die Dienste sind aufgeteilt, jede tut etwas, das hält die Überlastung von der Einzelnen fern und macht zugleich dieses Leben überhaupt möglich. Zum Nicht-Alleinsein kommt auch hinzu, dass jede Schwester versorgt ist. Gerade die ökonomische Lage spielt im Alter eine große Rolle. Die Regionalleitung der Missionarinnen Christi schaut über das große Ganze, unterstützt bei der Einteilung der Ressourcen, ermittelt gemeinsam den Bedarf der Lebensgruppe. Auch hier ziehen die Schwestern den Vergleich zur Familie, in der die jüngere Generation mithilft und unterstützt. Externe Kräfte unterstützen ebenfalls dort, wo Bedarf besteht, beim Reinigen der Wohnung oder der Haushaltsführung. Jeden Tag selbst mittags zu kochen haben sie aufgegeben und gehen inzwischen zum Essen in die Kantine der Barmherzigen Schwestern.
Wie sich der Alltag sonst gestaltet? Mit dem Außen in Kontakt bleiben ist wichtig. So unternimmt die Gruppe immer wieder etwas miteinander, einen Ausflug in die Natur oder bekommt Besuch – von Mitschwestern aus der Gemeinschaft, Familien, Freunden. In der Wohnung hat jede die Möglichkeit, sich ins eigene Zimmer zurückzuziehen – dieser persönliche Rückzugsort war unserem Gründer Pater Moser sehr wichtig. Er sagte: “Die Schwestern müssen die Möglichkeit haben in die Stille hineinzukommen, die für das geistliche Leben notwendig ist, um die Art und den Stil ihres persönlichen Lebens, der eigenen Seelenkultur in der Einsamkeit des Zimmers zu finden.“
Beim Frühstück und Abendessen treffen wir uns, natürlich auch bei den gemeinsamen Gebetszeiten, auch gemeinsames Schweigen ist verbindend. Gerne nutzen die Schwestern auch die religiösen Angebote im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern. „Wir treffen uns abends durchaus auch gemeinsam vor dem Fernseher, aber nicht jeder Abend findet in Gemeinschaft statt. Im Alter ist man insgesamt mehr beisammen, weil das Erleben von und nach außen weniger wird.
So hoffen und wünschen wir, dass unser Leben in etwa unserer geistlichen Ausrichtung gerecht wird, wo es heißt: Wir wollen uns gegenseitig achten und ertragen und darauf vertrauen, dass jede sich um ihren Weg zu Gott bemüht.“