GUTE AUSSICHTEN
Am Anfang eines Jahres wird uns die Zeit überhaupt und auch die eigene Lebenszeit bewusster als zu sonstigen Zeiten. Zu gerne möchten wir wissen, was kommen wird. Wir möchten uns einstellen, Absicherungen haben für unser Sicherheitsbedürfnis. Vielleicht die Garantie, dass alles gut geht und gut wird und gut ausgeht. Bitte ein Happy-End! Und ein Ende der Pandemie. Und Arbeit. Und Gesundheit. Und Urlaub. Und wieder Freunde treffen. Und eine bessere Welt. Und eine reformierte Kirche. Und… und… und. Schön wär’s, wenn wir einen Zauber-Wunschbaum hätten und das Märchen endete mit: „…und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“
Doch das Happy-End ist nicht garantiert und wir erfahren immer wieder, dass das Leben kein Frühlingsspaziergang ist. Was dann bleibt, ist die Hoffnung. Hoffnung ist anders als Wünschen. Hoffnung hat eine Kraft in sich und eine Richtung für das Handeln – oder auch für das Ertragen. Manchmal ist Hoffen ganz schön schwer: dann brauche ich Kraft zum Hoffen und Mut, trotz allem an das Licht am Ende des Tunnels zu glauben. Ein Hoffnungslicht brauche ich ja dann besonders dringend, wenn es richtig dunkel um mich (und in mir) ist. Und manchmal blüht dann überraschend wie ein Geschenk Hoffnung auf. Oder vorsichtiger ausgedrückt: Etwas mehr Zuversicht, etwas mehr Ausdauer, etwas mehr Spannkraft und Mut.
Für Bassem, einen jungen Studenten aus Syrien, ist der Neujahrstag das schönste Fest des Jahres. Denn er verbindet damit die Hoffnung, dass die Situation besser wird: für sein Land, für seine Familie, für ihn in der Fremde. Es kann besser werden. Es gibt eine neue Chance. Hoffentlich. Ich bewundere ihn dafür, denn für mich ist Hoffen manchmal ganz schön schwer im Blick auf meine Gesundheit und im Blick auf unsere Welt, auf das Klima, auf unsere Kirche. Da bringt Fulbert Steffensky seine Sicht ein und bringt wieder in Schwung: „Hoffen lernt man auch dadurch, dass man handelt, als sei Rettung möglich. Hoffnung garantiert keinen guten Ausgang der Dinge. Hoffen heißt darauf vertrauen, dass es sinnvoll ist, was wir tun. Hoffnung ist der Widerstand gegen Resignation, Mutlosigkeit und Zynismus.“
Also hoffen wir weiter und wandern wir weiter in den Herausforderungen, die das Leben uns zumutet. Ich merke, dass in den letzten Jahren meine Hoffnung noch viel weiter greift. Weit über die aktuellen Situationen hinaus, auch über mein Leben hinaus und sogar über die Weltzeit hinaus. Nicht immer, aber immer wieder hoffe ich auf ein gutes Ende und vertraue darauf. Das ist viel mehr als ein Happy-End. Das ist Hoffnung, die in Gott gründet. Gott hat sein Ja in diese Welt gelegt. Das Ja gilt vom Anfang bis ans Ende. Hand in Hand mit Gott, der versprochen hat, mit uns zu sein auf allen unseren Wegen und an allen Tagen unseres Lebens, können wir zuversichtlich und beherzt in das neue Jahr gehen. Mit unendlichen guten Aussichten.
Sr. Christine Zeis (Jahrgang 1961) ist Exerzitien- und geistliche Begleiterin. Nach 20 Jahren in Leipzig und Jena lebt sie seit zehn Jahren in Weilheim in Oberbayern, wo sie nach den Jahren der Noviziatsleitung nun den Aufgabenschwerpunkt in der Seelsorge hat.