DER HERR IST UND LEBENDIG MACHT
Ich liebe Pfingsten! Nicht nur weil ich an einem Pfingstfest geboren wurde, sondern weil es in vieler Hinsicht der Inbegriff des vollen Lebens ist. Der Frühling ist nicht erst gerade zaghaft ins Land gezogen, sondern er ist schon kraftvoll fortgeschritten, die Apfelbäume haben schon winzige, verheißungsvolle Früchte angesetzt, der Sommer lässt schon grüßen.
Kirchlich und liturgisch gesehen ist Pfingsten das Fest des Geistes Gottes und das Fest der Kirche. 50 Tage nach Ostern (daher der Name, aus dem griechischen „Pentecoste“, aus dem dann „Pfingsten“ wird) waren die Freunde Jesu weder einmal zusammen. All der Schrecken und das Unerwartete, alles das, was sie wenige Wochen zuvor erlebt hatten, ist ihnen wohl noch in den Knochen gesessen. Auch mit dem auferstandenen Jesus, der sich ihnen mehrmals gezeigt hat, kommen sie noch nicht so ganz zurecht. Sie sind nach wie vor irritiert und zurückgezogen, und so treffen sie sich wieder – wie die Tradition sagt – im Abendmahlssaal, wo sie mit Jesus das letzte besondere Mahl gefeiert hatten.
Und da passiert es: Ein heftiger, brausender Sturm kommt, ein Getöse und etwas, das ihnen wie Feuer vorkommt. Ein feuriges Erleben war es wohl tatsächlich, denn als der Sturm vorbei ist, sind sie „andere“ geworden: Sie wollen sich nicht mehr verkriechen, sondern sie gehen hinaus aus ihren schützenden Mauern und fangen an zu sprechen, „wie es der Geist ihnen eingab“. Sie müssen so begeistert und wohl auch ein wenig auffällig und außer sich gewesen sein, dass sie die einen, die vorbeigekommen sind, ratlos gemacht haben. Die anderen haben gespottet und sie für betrunken gehalten.
Was hat es mit diesem Geist auf sich? Der Geist Gottes ist wirklich feurig, er ist leuchtend und nicht schnell und einfach zu benennen. Er hat viele Namen. Ursprünglich – vom Hebräischen her – ist er der Atem, der Lebensatem, die Lebenskraft Gottes. Später kommen noch andere Namen oder Facetten oder auch Erfahrungen dazu: Der Geist ist der Tröster, der Beistand, der Beweger, der Unruhestifter. Im so genannten alten Glaubensbekenntnis ist es der Geist, „der Herr ist und lebendig macht“.
Pfingsten wird auch das „Geburtsfest der Kirche“ genannt. Die Kirche, das sind die Menschen, „die dem Herrn gehören“ (wieder eine Übersetzung aus dem Griechischen), und es sind die Menschen, die sich vom Geist Gottes anstiften lassen. Menschen, die hinausgehen aus ihren schützenden Mauern und anderen vom dem erzählen, was sie bewegt und was sie von Gott und vom Leben begriffen haben.
Was davon bei anderen ankommt und was es bewirkt, das wissen wir nicht. Vielleicht werden auch sie (oder auch wir?) manchmal für ein bisschen verrückt gehalten. Aber der Geist, der Herr ist und lebendig macht, er wird etwas Gutes daraus machen.
Sr. Christine Rod MC
Sr. Christine Rod ist Theologin und Supervisorin. Sie ist seit 2020 Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz.