Monatsimpuls – September 2022

Die Kunst des Dialogs
Bei unserer Generalversammlung im August haben wir uns nicht nur im Dialog geübt. Das ist uns nicht bei einem solchen großen, internationalen, nur alle sechs Jahre stattfindenden Treffen wichtig. Wir wollen auch den Dialog als Grundhaltung und als eine Tugend (= das, was „taugt“) leben, pflegen, üben und immer wieder neu lernen. Deshalb ist „Dialog nach innen und nach außen“ auch ein Kapitel in unserem bei der Generalversammlung verabschiedeten Text zur „Orientierung für die Sendung der Missionarinnen Christi“. Da heißt es u.a.:
Als Missionarinnen Christi leben wir in unserer Gemeinschaft in großer Vielfalt im Hinblick auf Alter, Einsätze, Kulturen, Sprachen, Bilder von Gott und Kirche, Rolle von Frauen, usw.
Wir bemühen uns, einander Raum zu geben und lernen, unsere Verschiedenheit zu akzeptieren und wertzuschätzen.

Wir leben in unseren Gemeinschaften in Vielfalt und in Verschiedenheit. Diese Vielfalt ist erfreulich, bereichernd, inspirierend, belebend, lässt mich viele neue Seiten des Lebens entdecken. Diese Verschiedenheit kann aber auch mühsam, aufreibend und herausfordernd sein. Manchmal erlebe ich eine Mitschwester so anstrengend, so anders, so fremd. Trotzdem in Würde und Wertschätzung den Weg miteinander gehen, das ist ein Ausdruck von Freiheit und Glauben. Eines Glaubens, dass auch die andere mit all ihrem Anderssein ein geliebtes Geschöpf Gottes ist.
Vielfalt und Verschiedenheit sind und bleiben Lernfelder. Interessant beim Schönen und beim Schwierigen ist, dass ich dabei manchesmal am meisten über mich selber lerne.
„Wir Ordensleute haben uns nicht gesucht, sondern wir haben uns gefunden“, hat einmal jemand gesagt. Diesen Satz finde ich sehr treffend, und er hilft mir zu relativieren, wenn es trocken zwischen uns ist. Ich schaue auf Eheleute, die sich gesucht und gefunden haben. Aber die sich die vielleicht mühsame Verwandtschaft, die sie mitgeheiratet haben, wahrlich nicht selber ausgesucht haben. Und die nicht voraussehen konnten, wie sich der Partner oder die eigenen Kinder einmal entwickeln würden. Auf jeden Fall haben Vielfalt und Verschiedenheit eine verändernde, ein wandelnde Kraft.
Papst Franziskus hat in seinem Schreiben zum Jahr des geweihten Lebens, im November 2014 Ordensleute als „Experten des gemeinschaftlichen Lebens“ bezeichnet. Und später fügt er noch hinzu „Baumeister und Zeugen“. Mit dieser Weisheit im Hintergrund haben wir in unserem neuen Orientierungstext auch festgestellt:
Beim Eintreten in einen Dialog ist es notwendig zu wissen, wer ich bin und zu akzeptieren, dass die andere Person anders ist. Wir haben Wichtiges zu geben, wir sind aber auch Empfangende und brauchen die anderen. Wir sind bereit, von den anderen zu lernen und uns von ihnen verändern zu lassen.
In diesem Sinne sind wir Ordensleute im allgemeinen und wir Missionarinnen Christi im besonderen wirklich Expertinnen, Baumeisterinnen und Zeuginnen des gemeinschaftlichen Lebens.


Sr. Christine Rod ist Theologin und Supervisorin. Sie ist seit 2020 Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz.